Andreas W. Kraut

Ich wiege mich nicht täglich.

Andreas W. Kraut, CEO und Gesellschafter von Bizerba, gestaltet die Zukunft des marktführenden Anbieters für Wäge- und Schneide­technologie in Handel und Handwerk. Er setzt auf smarte Lösungen, traditionelle Werte und die Kraft der Familie.

Bizerba SE & Co. KG

Wilhelm-Kraut-Straße 65
72336 Balingen
Telefon: +49 7433 12-0
www.bizerba.com

Herr Kraut: Haben Sie sich heute morgen schon gewogen?

Nein, nicht wirklich. Haushalts- und Personenwaagen sind nicht unser Geschäftsfeld. Ich bin kein Fan davon, ständig auf meine Smartwatch zu schauen. Ein Kilo mehr oder weniger ist für mich unwichtig. Wichtig ist, dass man sich wohlfühlt.
Sie stehen für die fünfte Generation von Bizerba. In Ihrem Firmenstatement sprechen Sie von »Innovation« und »Tradition«. Würden Sie für sich selbst einen weiteren Begriff hinzufügen wollen?
Ich würde das auch heute genau so unterschreiben. Mit jedem technischen Wandel hat sich die Firma weiterent- wickelt. Auch heute streben wir Technologie­führerschaft an, besonders in der Software. Aber nicht als Start-up, sondern mit der langen Tradition einer Marke. Wir integrieren unsere Waagen in die Systeme unserer Kunden. Da sind wir Prozess- und Lösungspartner und beschäftigen dafür mittlerweile mehr Software-Entwickler als klassische Ingenieure! Die Heraus- forderungen heute sind also ganz andere.
War Ihnen das bewusst, als Sie sich nach dem unerwarteten Tod Ihres Vaters mit gerade mal 22 Jahren entschieden haben, Bizerba im Familienbesitz zu halten?
Damals ging es darum, die Firma zusammen­zuhalten. In der fünften Generation gab es viele Gesellschafter, die sich überlegt haben, ob ein Verkauf vielleicht besser wäre.
»In unserem Geschäft ist es wichtig, lokal präsent zu sein.«
Als größter Arbeitgeber in Balingen gehört Bizerba untrennbar zur Stadt.
Was hat Sie bewogen, die Firma zu behalten?

Da bin ich meiner Mutter sehr dankbar. Als Witwe mit drei Kindern entschied sie gemeinsam mit uns: Ja, wir übernehmen die Anteile. Das war ein Kraftakt. Das Geld für die Übernahme hatten wir natürlich nicht in der Portokasse. Aber 2016 hatten wir wieder 100 Prozent
der Anteile und konnten uns neu ausrichten.

In welche Richtung?
Technologisch und mit Blick auf unsere globale Präsenz. Wenn sie mich vorher gefragt haben, wofür ich rückblickend gerne einmal stehen möchte, dann dafür, dass wir unser Geschäft heute global betreiben. Vor meinem Einstieg ging ich in die USA, um mich persönlich weiterzuentwickeln. Aber mir war auch klar: Wir müssen wissen, was da draußen los ist. Und der nordamerikanische Markt war immer schon ein Zielmarkt.
2012 kehrten Sie dann aus den USA ins heimische Balingen zurück.

Die Wirtschaftskrise 2009 war herausfordernd und meine Mutter bat mich, zurückzukommen und die Zügel zu übernehmen.

»Offen zu sein, in Möglich­keiten statt in Grenzen zu denken, hat bei Bizerba Tradition.«
Andreas W. Kraut beim »feine adressen« Unternehmer-Gespräch.
Wieviel Zeit fürs Privatleben lässt Ihnen die Funktion als CEO?
Wir haben ja drei Jungs, zwei davon sind in den USA geboren. Und ja, da gab es schon Zeiten, wo die Familie erst an zweiter Stelle stand.
Und heute?
Ich lege Wert darauf, dass wir viel Qualitätszeit zusammen verbringen.
In Balingen stellt sich da ja die Frage: Handball oder Fußball?
(lacht): Natürlich beides. Mein Vater und Großvater waren im Fußball-Aufsichtsrat. Handball in Balingen hat sich erst später so toll entwickelt. Da haben dann auch die Mitarbeiter gesagt: Das müsst ihr unterstützen, da müsst ihr Flagge zeigen! Als größter Arbeitgeber sind wir nicht nur irgendein Unternehmen. Bizerba und Balingen sind nicht zu trennen. Da ist natürlich klar, dass wir uns auch gesellschaftlich und sozial engagieren.
Bizerba kennt man vor allem von der Metzger-Theke. Sehen Sie besondere Zukunftschancen in anderen Bereichen?
Die Supermarkt-Waage ist Teil eines größeren Systems. Das, was früher an der Theke passierte, dass Produkte geteilt, abgewogen, verpackt und etikettiert wurden, das findet heute im Rahmen des Produktions­prozesses statt. Und zwar in High-Speed. Wir nennen das »from farm to fork«. Wenn das Tier den Bauernhof verlässt, wird es zum ersten Mal von einer Bizerba Waage gewogen. Das geht dann in der Schlachterei weiter, bis das fertige Filet gewogen, verpackt und etikettiert an der Kasse landet. Überall ist Bizerba dabei.
Aber alles Lebensmittel?
Das ist nur einer unserer Geschäfts­bereiche. Auch die Logistik boomt. DHL, Amazon & Co, die boomen über den E-Commerce. Da müssen in den Sortieranlagen Millionen von Paketen gewogen werden. Dazu der Bereich der Inspektion von Verpackungen. Wir können zum Beispiel in High-Speed überprüfen, dass sich in den verpackten Lebensmitteln keine Metallteile befinden oder dass eine Verpackung sicher verschlossen ist. Da kommt dann die künstliche Intelligenz ins Spiel. Und die Waagen im Supermarkt erkennen mit Kameras direkt, welche Apfelsorte aus dem Sortiment auf der Waage liegt.

Da brauchen Sie sicher auch ganz andere Leute im Unternehmen?

Ja – spannende Themenfelder wie Digitalisierung, KI, Software, Globali­sierung machen uns als Arbeitgeber attraktiv. Und gleichzeitig sind wir als Firma überschaubar, da ist man als Mitarbeiter noch wer. Kann gestalten und seinen Footprint hinterlassen. Das finden viele attraktiv.
»Immer besser zu werden, das treibt uns an. Und genau das verbindet uns mit Kundinnen und Kunden, überall auf der Welt.«
Seit 1866 bietet Bizerba Waagen, Schneidmaschinen, Labels und Software für Handwerk, Handel, Industrie und Logistik an.
Bizerba ist in 120 Ländern präsent. Waren Sie selbst schon in allen?
In 80 bis 100 war ich schon. In unserem Geschäft ist es wichtig, lokal präsent zu sein.
Ihre Schwester, Nicole Hoffmeister-Kraut ist als Wirtschaftsministerin in der Politik. Wären Sie selbst auch ein guter Politiker?
Eher nicht. In der Politik muss man viel abwägen, das wird immer schwieriger. Im Unternehmen kann ich schneller Entscheidungen treffen. Auf der anderen Seite denke ich schon manchmal, vielleicht wäre es gut, auch mal selbst mitzumachen, statt immer nur zu schimpfen.
Tauschen Sie sich oft mit Ihrer Schwester aus, so aus der Unternehmer-Praxis in die Politik?

Meine Schwester ist aus der operativen Geschäftsführung raus, da gibt es eine saubere Trennung. Aber wir sprechen von Zeit zu Zeit über Themen, die aus meiner Sicht für die Politik relevant sein könnten. Sie hat aber einen guten Beraterkreis, da sind meine Tipps eher zweitrangig.

Herr Kraut, herzlichen Dank für das Gespräch. Am Schluss noch eine persönliche Frage: Was würden sie Ihren Söhnen für die Berufswahl raten: YouTuber, Fußballer oder Familienunternehmer?
Das müssen sie selbst wissen. Wichtig ist, dass man das, was man tut, gerne tut. Wenn einer in der Firma eine Rolle spielen möchte, gerne. Aber wenn er gerne Arzt oder Fußballer werden möchte, dann ist das auch okay.
Hätte einer der drei das Zeug zum Fußballer?
(lacht): Eher nicht zum Profi. Ihre sportlichen Karrieren sind bislang überschaubar.

Bizerba SE & Co. KG

Wilhelm-Kraut-Straße 65
72336 Balingen
Telefon: +49 7433 12-0
www.bizerba.com